Stadtlabor Märkisches Viertel 3

10.4.2024
13:00 - 17:00 Uhr
Berlin-Märkisches Viertel
Berlin-Märkisches Viertel
3. Arbeitssitzung Stadtlabor Märkisches Viertel

Seit Oktober 2022 begleitet die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ das Märkische Viertel und die GESOBAU beim kulturellen Transformationsprozess in der Großwohnsiedlung. In den bisherigen Veranstaltungen im Märkischen Viertel haben wir herausgearbeitet, welche räumlichen Potenziale es dort gibt und welche Initiativen und Träger vor Ort bereits aktiv sind, um kulturelle Aktivitäten mit und für die Bewohner:innen des Quartiers anzubieten. Neue Ideen für konkrete Projekte im Märkischen Viertel sind dabei entstanden. Im Verlauf der Sitzungen zeigte sich allerding, dass noch Strukturen fehlen, die als übergeordnete Plattform für die Vernetzung, Koordination und Förderung von Kunst und Kultur fungieren können. Die GESOBAU diskutiert derzeit die Gründung eines Kulturvereins als eine mögliche Lösung für diese Herausforderung.

Ziel der Sitzung:

Kulturelle Transformation mit Programm „Sozialer Zusammenhalt“ verschränken

Das Ziel der dritten Arbeitssitzung des Stadtlabors im Märkischen Viertel ist es, zusammen mit den Aktiven und Engagierten des Quartiers einen Rückblick auf den bisherigen Prozess der kulturellen Quartiersentwicklung zu werfen. Vor dem Hintergrund, dass das Märkische Viertel seit 2023 Programmgebiet des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ ist, möchten wir Möglichkeiten erörtern, wie die Zusammenarbeit mit dem Programm „Sozialer Zusammenhalt“ insbesondere im Bereich kulturell-kreativer Aktivitäten gestaltet und wie ein zukünftiger Kulturverein in diesem Kontext integriert werden kann.

Hintergrund

Mit der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ möchten wir neue Partnerschaften befördern zu Gunsten einer aktivierenden, kooperativen und gemeinwesenorientierten Stadtentwicklung. Dafür bringen wir etablierte Akteur:innen der Stadtentwicklung, wie Kommunen, die Wirtschaft oder Immobilienunternehmen mit Akteur:innen aus der Zivilgesellschaft, Kreativwirtschaft, Kultur und Soziokultur zusammen. Das Ziel der GESOBAU im Märkischen Viertel ist es, durch kulturelle Aktivitäten die Entfaltungsmöglichkeiten der Bewohnenden zu fördern, den Zusammenhalt zu stärken und das Engagement zu steigern. Dabei sollen bisherige Bewohner:innen und neu Dazukommende gleichermaßen adressiert werden.

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Agenda

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Ergebnis

Die Langfassung finden Sie als PDF zum Download hier.



Zentrale Ergebnisse:

Am 10. April 2024 fand die dritte Arbeitssitzung des Stadtlabors Märkisches Viertel in Zusammenarbeit mit Helene Böhm von der GESOBAU im Ribbeck-Haus statt. Das Ziel der Sitzung war es, zusammen mit den Aktiven und Engagierten des Quartiers Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit dem Programm der Städtebauförderung „Sozialer Zusammenhalt“ zu erörtern, insbesondere im Bereich kulturell-kreativer Aktivitäten. Zudem wurde diskutiert, wie ein zukünftiger Kulturverein im Quartier als Struktur für Tätigkeiten im Bereich kulturelle Quartiersentwicklung gestaltet und in die Gebietskulisse integriert werden kann. Auch der bisherige Prozess der kulturellen Quartiersentwicklung im Märkischen Viertel wurde reflektiert. Das Märkische Viertel ist seit 2023 Fördergebiet des Programms „Sozialer Zusammenhalt“. Es ist neben der Gropiusstadt eins von zwei Modellvorhaben, bei denen im Programmgebiet kein Quartiersmanagement eingesetzt wird, wie sonst üblich, sondern auf der großen Akteurslandschaft und -vernetzung im Quartier sowie dem starken Partner der GESOBAU aufgebaut wird. Die Vertreter:innen der Steuerungsrunde für das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ im Märkischen Viertel (GESOBAU, Bezirk Reinickendorf, vom Bezirk beauftragte Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N., Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) waren mit Ausnahme der Landesebene bei der Sitzung dabei.

Alle Anwesenden standen dem Aufbau von Strukturen für kulturell-kreative Aktivitäten im Märkischen Viertel offen und positiv gegenüber. Das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ im Märkischen Viertel, das im Jahr 2024 seinen Handlungsschwerpunkte auf die Themen Bildung, Kinder- und Jugendförderung, sowie Gesundheit und Gewaltprävention legt, könnte künftig auch kulturelle Aktivitäten fördern und diese Strukturen damit unterstützen. Die Idee ist es, einen Kulturverein zu gründen, der zwei Funktionen übernimmt: Er soll als Plattform und räumliche Anlaufstelle dienen, um Menschen, die an Kunst und Kultur interessiert sind, zu vernetzen. Dadurch könnten die vielen bereits jetzt kulturell-aktiven Akteur:innen im Quartier miteinander in Kontakt treten und ihre Aktivitäten gebündelt werden. Zum anderen sollen durch den Verein konkrete kulturelle Aktionen organisiert werden. Eine erste Maßnahme des Vereins könnte die Bespielung von bisher unbeachteten Amphitheatern im Märkischen Viertel mit Musik-Veranstaltungen sein, die Menschen im Quartier zusammenbringen. Solche Aktionen könnten Bewohnende oder Akteur:innen aus dem Quartier zudem dazu inspirieren, eigene kulturelle Aktivitäten im Quartier umzusetzen. Fördergelder könnten sie von dem künftigen Kulturverein erhalten. Auch wenn das Image innerhalb der Großwohnsiedlung besser ist als die Außenwahrnehmung, können solche kulturellen Aktivitäten helfen, die Entfaltungsmöglichkeiten, den Zusammenhalt und das Engagement der Bewohnenden zu steigern. Nachbar:innen, die sich bisher wenig kannten, können sich so auf eine andere Weise kennen und schätzen lernen.

Die genauen Kriterien und die Geschäftsform müssen noch ausgearbeitet werden. Sofern die Struktur aus einem Kulturverein bestehen soll, gilt es, seine Aufgaben, die Ausgestaltung der Geschäftsführung sowie die Größe des Vereins zu definieren. Die Vernetzungsinitiative befürwortet, dass ein Kulturverein im Märkischen Viertel neben der Projektförderung als Austausch- und Vernetzungsplattform dienen soll. Dies entspricht den Grundsätzen einer gemeinwesenorientierten, kooperativen und aktivierenden Stadtentwicklung. Um eine Eigendynamik im Quartier zu entwickeln, sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, dass ein künftiger Verein nicht nur bereits bestehende Initiativen oder Institutionen fördern kann, sondern auch Einzelpersonen, die Ideen umsetzen wollen. Der Verein sollte sich vornehmen, vielfältige kulturelle Ideen aus dem Quartier zu fördern.

Die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ erarbeitet ein Positionspapier mit Thesen für eine gelungene kulturell-kreative Wohnquartiersentwicklung, die im Herbst 2024 bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung vorgestellt werden soll. Alle Infos dazu finden Sie in Kürze auf unserer Website.


Langfassung:

Am 10. April 2024 fand die dritte Arbeitssitzung des Stadtlabors Märkisches Viertel in Zusammenarbeit mit Helene Böhm von der GESOBAU im Ribbeck-Haus statt. Da das Märkische Viertel seit 2023 Fördergebiet des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ ist, war das Ziel der Sitzung, zusammen mit den Aktiven und Engagierten des Quartiers Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit dem Programm zu erörtern, insbesondere im Bereich kulturell-kreativer Aktivitäten. Zudem wurde diskutiert, wie ein zukünftiger Kulturverein im Quartier gestaltet und in die Gebietskulisse integriert werden kann. Alle Anwesenden standen dem Aufbau für Strukturen für kulturell-kreative Aktivitäten im Märkischen Viertel offen und positiv gegenüber. Die genauen Kriterien für diese Struktur – z. B. einen Verein – müssen jedoch noch ausgearbeitet werden.

Akteur:innen aus dem Quartier & Steuerungsrunde Programm „Sozialer Zusammenhalt“

Die Sitzung des Stadtlabors legte den Fokus auf die Akteur:innen im Quartier. Neben Helene Böhm und Mara Behrend von der GESOBAU waren Vertrer:innen von lokalen Trägern und Kulturinstitutionen anwesend, wie von der mobilen Stadtteilarbeit Albatros GmbH, dem FACE Familienzentrum, dem Fontane-Haus Kulturzentrum, der Jugendkunstschule ATRIUM, der Bibliothek im Fontane-Haus, der Website und Facebook-Seite „Mein Märkisches Viertel“, sowie eine Quartiershelferin. Zudem nahmen Vertreter:innen der Steuerungsrunde des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ an der Sitzung teil. Diese besteht aus der GESOBAU, der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, dem Bezirk Reinickendorf sowie der vom Bezirk als Gebietssteuerung beauftragten Stadterneuerungsgesellschaft S.T.E.R.N. Daneben war Stephan Mayer vom Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen anwesend. Das Bundesbauministerium fördert die Vernetzungsinitiative im Rahmen der Nationalen Stadtentwicklungspolitik.

Die Rolle der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ im Märkischen Viertel

Nach einer Begrüßung durch Helene Böhm von der GESOBAU stellte Prof. Reiner Schmidt von Stadt als Campus und der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ die Ziele der Vernetzungsinitiative vor. Heike Mages und Lilian Krischer berichteten vom bisherigen Prozess des Stadtlabors im Märkischen Viertel. „Gemeinsam für das Quartier“ will die kulturelle Transformation im Märkischen Viertel begleiten und sie sichtbar und erfahrbar machen. Dafür sollen eigendynamisches Engagement für (sozio)kulturelle Aktivitäten befördert und das Zusammenspiel von Bewohnenden, Initiativen, Communities und Einrichtungen unterstützt werden. Damit dies gelingt, ist es wichtig, Prozesse, Partnerschaften und Strukturen kultureller Aktivierung zu gestalten.

Seit Oktober 2022 begleitet die Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“ das Märkische Viertel und die GESOBAU beim kulturellen Transformationsprozess in der Großwohnsiedlung. In den bisherigen Veranstaltungen im Märkischen Viertel wurde herausgearbeitet, welche räumlichen Potenziale es dort gibt und welche Initiativen und Träger vor Ort bereits aktiv sind, um kulturelle Aktivitäten mit und für die Bewohner:innen des Quartiers anzubieten. Neue Ideen für konkrete Projekte im Märkischen Viertel sind dabei entstanden, wie ein Festival „48h Märkisches Viertel“ in Anlehnung an das Festival „48h Neukölln“ oder ein digitales oder analoges Heimatmuseum für das Märkische Viertel. Im Verlauf der Sitzungen zeigte sich allerding, dass noch Strukturen fehlen, die als übergeordnete Plattform für die Vernetzung, Koordination und Förderung von Kunst und Kultur fungieren können. Die GESOBAU diskutiert derzeit die Gründung eines Kulturvereins als eine mögliche Lösung für diese Herausforderung.

Alleinstellungsmerkmal der Großwohnsiedlung Märkisches Viertel

Auch in anderen Berliner Bezirken organisieren städtische Wohnungsbaugesellschaften oder ihre Stiftungen kulturell-kreative Aktivitäten, um den demographischen und soziökonomischen Wandel zu begleiten. Ziel der kulturell-kreativen Aktivitäten ist die Aufwertung der Quartiere, aber auch das Miteinander und die Identifikation mit dem Quartier sollen gestärkt werden. „Gemeinsam für das Quartier“ hat in zwei Austauschrunden und mittels einer Umfrage Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Herangehensweise der vier betrachteten Berliner Akteure ausgemacht:

Die degewo beispielsweise ist gemeinsam mit der Berlin Mondiale in der Neuköllner Großsiedlung Gropiusstadt aktiv und bespielt einen unscheinbaren Platz mit kulturellen Aktivitäten. Die degewo sponsort die Berlin Mondiale, die diese Aktivitäten organisiert. Mit künstlerischen Interventionen werden hier Begegnungen und Nachbarschaften gefördert. Die Stiftung Stadtkultur der HOWOGE organisierte unter anderem ein dreitägiges „ZusammenZimmern“-Festival in Berlin Neu-Hohenschönhausen im Sommer 2023 (siehe Dokumentation 2. Arbeitssitzung Stadtlabor Märkisches Viertel). Bei dem Festival wurden Aktivitäten von Bewohnenden angeboten, aber auch von Kunst- und Kulturschaffenden aus ganz Berlin. In Neu-Hohenschönhausen wurden Potenziale aus dem Quartier aufgedeckt, sie wurden verstärkt und ergänzt, dadurch kam es sozusagen zu einer „Festivalisierung der Quartierskultur“. Die Gewobag setzt kulturelle Aktivitäten zur Förderung individueller Bildungswege und zur Stärkung des Miteinanders mit ihrer Stiftung Berliner Leben in Schöneberg Nord und in der Heerstraße Nord in Spandau um. Die Aktivitäten setzen internationale sowie Berliner Künstler:innen um und verbessern so das Bild des Quartiers.

Zwischen all diesen Beispielen hat die GESOBAU ihren eigenen Weg gefunden: Sie setzt darauf, Quartiersallianzen zu gestalten, Entfaltungsräume zu eröffnen und Eigendynamik zu kultivieren. Insgesamt soll vor allem mit dem Potenzial gearbeitet werden, das die im Märkischen Viertel ansässigen Bewohner:innen und Initiativen bereits mitbringen.

Die Idee des Kulturvereins

Helene Böhm von der GESOBAU stellte gemeinsam mit Felix Bergemann vom FACE Familienzentrums die Idee eines Kulturvereins vor. Bisher wurden kulturelle Aktivitäten im Märkischen Viertel durch den Bezirk oder die GESOBAU organisiert. Daneben veranstalten viele soziale Träger im Quartier kulturelle Aktivitäten, die jedoch oft eher einen Bildungs- oder Quartierscharakter mit einem Schwerpunkt auf Kinder, Jugendliche und Senioren haben und keine expliziten Kunst- und Kulturveranstaltungen für interessierte Erwachsene sind.

Die GESOBAU möchte künftig die Rolle eines Organisators hinter sich lassen. Vielmehr ist das Ziel, andere Akteur:innen und Bewohnende zu ermächtigen, kulturelle und künstlerische Aktivitäten umzusetzen. Dies soll der Kulturverein unterstützen und kanalisieren. Dabei sind zwei Funktionen vorgesehen: Zum einen soll der Verein als Vernetzungsplattform dienen für Menschen, die an Kunst und Kultur interessiert sind. Bereits jetzt gibt es eine Reihe an Akteur:innen, die im Märkischen Viertel kulturelle Aktivitäten organisieren. Diese sind aber nicht koordiniert bzw. es gibt keine zentrale Anlaufstelle für die interessierte Öffentlichkeit, die diese Maßnahmen gebündelt darstellt.

Zum zweiten soll der Verein kulturelle Aktionen organisieren. Wichtig dafür (und für die öffentliche Wahrnehmung) ist, dass der Kulturverein einen Raum als zentralen Anlaufpunkt bekommt, damit Interessierte wissen, wohin sie sich wenden können. Der Verein sollte als „ästhetische Werkstatt“ dienen, die Kultur vermittelt, unbeachtete Orte und Gegebenheiten sowie Veranstaltungen im Quartier sichtbar macht und eine Anlaufstelle für Erwachsene bietet. Bisher lag der Fokus der Trägerlandschaft nämlich auf Kindern und Jugendlichen bzw. Senioren. Die Kulturaktionen sollen zudem das Klischee der „bildungsfernen Bewohnenden“ im Märkischen Viertel nach und nach entkräften. So sollen unter anderem unerwartete, anspruchsvolle Kunst-Aktionen gestartet werden, die das Bild des Viertels verändern dürfen. Andere Aktivitäten sollen explizit den ästhetischen Bedürfnissen der Bewohnenden entsprechen und die Diversität im Quartier mit seinen unterschiedlichen Communities mitdenken.

Das Förderprogramm „Sozialer Zusammenhalt“ im Märkischen Viertel

Das Märkische Viertel ist von 2023 bis 2035 Programmgebiet des Programms „Sozialer Zusammenhalt“ im Rahmen der Städtebauförderung. Es ist neben der Gropiusstadt eins von zwei Modellvorhaben, bei denen in diesem Kontext kein Quartiersmanagement eingesetzt wird. Vielmehr wird auf der großen Akteurslandschaft und -vernetzung im Quartier sowie dem starken Partner GESOBAU aufgebaut. Katja Krüger vom Bezirksamt Reinickendorf und Franziska Kluge von der S.T.E.R.N. GmbH erläuterten, dass der Fokus der Förderungen aktuell auf nicht-investiven Projekte liegt, mit dem Handlungsschwerpunkt Bildung, Kinder- und Jugendförderung, sowie Gesundheit und Gewaltprävention. So starteten bisher bereits drei Projekte: eines zu gesunder Ernährung, ein medienpädagogisches Umweltprojekt mit Kindern und Jugendlichen sowie der VIERTELPunkt als Anlaufstelle und Mit-Mach-Laden. Für das Jahr 2024 sind zwei weitere Projekte geplant. Für das nächste Jahr wäre es laut Krüger und Kluge denkbar, den Handlungsschwerpunkt des Programms auf Kunst und Kultur zu legen.

Der Aufbau einer Struktur

Ein wichtiges Thema der Diskussion war die strukturierende Rolle, die der Kulturverein (oder ein vergleichbares Format) einnehmen soll. Die Idee ist, dass Helene Böhm von der GESOBAU und Felix Bergemann vom FACE Familienzentrums eine solche Struktur zunächst aufbauen. Danach möchten sich die Institutionen jedoch aus dem Verein zurückziehen und damit sein selbstständiges Wirken ermöglichen. Es ist eine „Henne-Ei“-Frage, ob zuerst ein Verein gegründet oder zuerst mit der Organisation von kulturellen Aktivitäten begonnen werden sollte: Nur mit einem Verein können Fördergelder für Aktivitäten beantragt werden. Ohne Aktivitäten wird allerdings auch keine Aufmerksamkeit generiert, die für die Gründung eines Vereins von Vorteil wäre.  

Geschäftsstelle des Vereins

Eine Frage ist auch, wer den Verein organisiert. Dafür wurde die Idee eingebracht, dass ein Träger die Geschäftsstelle für die ersten zwei Jahre übernimmt, bevor sich die Struktur dann selbst tragen muss. Einige der Anwesenden empfahlen, ein bis zwei feste Vollzeitstellen für den Verein einzuplanen. Dieser müsse professionell agieren können und dürfe nicht auf Freiwilligenarbeit aufbauen, da sonst ein langfristiges Agieren schwer zu gewährleisten sei. Dafür ist es wichtig, darüber nachzudenken, wie die Finanzierung solcher Vollzeitstellen sichergestellt werden kann. Eine halbe Stelle könnte beispielsweise vorerst an die GESOBAU angedockt werden. Mit weiteren Partnern könnten dann Projektmittel akquiriert werden, durch die mittelfristig eine ganze Stelle zur Hälfte aus Grundfinanzierung und zur Hälfte aus Förderung abgesichert wird. Sofern die Akquise erfolgreich ist, könnte eine weitere Stelle finanziert werden.

Diesbezüglich wurde auch die Frage aufgeworfen, was die Anforderungen an eine Geschäftsstelle des Vereins sind. Muss die verantwortliche Person aus dem Märkischen Viertel kommen und dort verwurzelt und vernetzt sein? Oder ist es wichtiger, dass die Person unabhängig vom Wohnort und der Kenntnis des Märkischen Viertels einen professionellen Hintergrund z. B. im Kulturmanagement hat? Es kamen auch kritische Simmen gegenüber dem Verein auf: Reicht nicht eine Institution oder Akteur:in, die als Sprachrohr für die vielen bereits bestehenden Aktivitäten fungiert? Es wurde bei der Sitzung deutlich, dass angekündigte Veranstaltungen im Quartier oft nicht besucht werden, weil eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit fehlt. Häufig werden Ankündigungen zudem so abstrakt formuliert sind, dass die Menschen sich nicht angesprochen fühlen. Neben diesem Aufmerksamkeitsproblem hätte eine Struktur auch den Vorteil, dass Kunst- und Kulturinteressierte wissen, wohin sie sich wenden können, um sich zu vernetzen, auszutauschen, Fördermittel einzuwerben oder eigene Ideen umzusetzen.

Bedarfe und Image des Quartiers

Eine weitere Frage in der Diskussion war, welche Bedarfe an kulturellen Aktivitäten und Entfaltungsräumen es im Märkischen Viertel eigentlich gibt, da bisher noch keine eigendynamischen Initiativen im Quartier identifiziert worden sind. Auch wurde angemerkt, dass das Image des Märkischen Viertels innerhalb des Quartiers besser sei als die Wahrnehmung von außerhalb und eine Verbesserung für die Menschen im Quartier nicht unbedingt notwendig sei. Dem wurde entgegnet, dass Menschen aus dem Quartier sich oft nicht trauten, eigene Ideen umzusetzen. Oft bräuchte es erste Anstöße und Inspirationen, um auf Ideen zu kommen, Orte zu bemerken und dann eigene Ideen umzusetzen. Durch solche Aktivitäten könnten sich auch die Bewohnenden im Quartier besser kennenlernen. So könnte eine der ersten Aktivitäten rund um den Kulturverein die Bespielung von bisher unbeachteten Amphitheatern im Märkischen Viertel mit Musik-Veranstaltungen sein, die die Menschen im Quartier zusammenbringt. Als weiterer Partner wurde auch die Graphotek im Märkischen Viertel vorgeschlagen, die bisher im Quartier noch zu wenig wahrgenommen wird. Hier könnten Ausstellungen oder Workshops stattfinden. Im Zuge des Prozesses von „Gemeinsam für das Quartier“ hat der Künstler Lukas Matthaei ein Kunst-Projekt zum Thema „Wut“ im Märkischen Viertel mit eigenen Fördermitteln gestartet. Bei dem Projekt engagierte sich auch eine ehemalige Zirkusartistin aus dem Quartier, die von der Aktivität erfahren hatte. Mit einem Verein könnte man Prozesse, die sich aus dem Kunstprojekt ergeben, oder interessierte Akteur:innen, wie die ehemalige Zirkusartistin, weiterfördern.

Offene Fragen für die Gründung eines Kulturvereins

Deutlich wurde in der Diskussion, dass alle Teilnehmenden dem Aufbau einer Struktur als Plattform und Förderung für Kunst und Kultur wohlgesonnen und positiv gegenüberstehen. Das Programm „Sozialer Zusammenhalt“ im Märkischen Viertel könnte künftig konkrete kulturelle Aktivitäten bzw. Projekte fördern, und damit für den Aufbau einer Struktur Impulse zu geben. Eine Förderung des Kulturvereins selbst aus Programmmitteln der Sozialen Stadt ist jedoch nicht möglich.

Für die Gründung eines Vereins gibt es noch Aspekte, die weiter ausdefiniert werden müssen. Die Aufgaben des Vereins müssen genau festgelegt werden, um den Prozess voranzutreiben. Weiterhin sollte entschieden werden, wie die avisierte Mitgliederstruktur, der Vorstand und die Geschäftsführung auszugestalten sind. Ist es eine bestehende Institution, oder wird sie neu aufgebaut? Soll die Geschäftsführung mit Personen aus dem Quartier besetzt werden, oder können sie auch von außerhalb sein? Welche Qualifikationen müssen die Personen der Geschäftsführung haben? Müssen sie Expertise im Bereich Kunst und Kultur haben oder eher gut im Quartier vernetzt sein? Zudem sollte die Größe des Vereins und die Art der Mitglieder (juristisch/Einzelmitglieder/Expertise in Kunst/Bewohnende etc.) festgelegt werden. Für den Beginn kann es sinnvoll sein mit einer kleinen Struktur anzufangen, um die personellen und finanziellen Ressourcen aufzubringen.

Empfehlungen & nächste Schritte im Stadtlabor Märkischen Viertel

Die Vernetzungsinitiative befürwortet, dass ein Kulturverein im Märkischen Viertel sowohl zur Beförderung kulturellen Aktivitäten über eine gesonderte Projektförderung als auch als Austauschs- und Vernetzungsplattform dienen soll. Dies entspricht den Grundsätzen einer gemeinwesenorientierten, kooperativen und aktivierenden Stadtentwicklung. Um eine Eigendynamik im Quartier zu entwickeln, sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, dass ein künftiger Verein nicht nur bereits bestehende Initiativen oder Institutionen fördern kann, sondern auch Einzelpersonen, die Ideen umsetzen wollen. Für diese könnte der Kulturverein als Vermittler zur Projektförderung dienen oder in kleinem Rahmen eigene Mittel zur Verfügung stellen. Der Verein sollte sich vornehmen, vielfältige kulturelle Ideen aus dem Quartier zu fördern. Um das zu gewährleisten, ist es sinnvoll, dass die Mitglieder des Vereins die Trägerlandschaft im Quartier oder die abgedeckten Handlungsfelder (Bildung/Jugendarbeit/Geflüchtete etc.) repräsentieren.

Im weiteren Prozess sollten die oben dargestellten Fragen zum Verein weiter ausdefiniert werden. Je nach Bedarf werden diese Aspekte in der letzten Sitzung des Stadtlabors im Herbst 2024 thematisiert. Die Vernetzungsinitiative wird die Erfahrungen aus dem Stadtlabor im Märkischen Viertel zur kulturellen Transformation von Wohnquartieren außerdem in ein Positionspapier zur kulturellen Stadtentwicklung in Wohnquartieren einbringen. Das Papier basiert auf einer Analyse der verschiedenen Strategien von vier Berliner Wohnungsbaugesellschaften bzw. ihren Stiftungen bei der kulturellen Stadtentwicklung in Wohnquartieren. Das Positionspapier soll auch bei einer gemeinsamen Veranstaltung mit dem vhw – Bundesverband für Wohnen und Stadtentwicklung zum Thema „Kulturelle Stadtentwicklung“ vorgestellt werden, voraussichtlich im November 2024.

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