Die Zukunft der aktivierenden Stadtentwicklung ist performativ: Stadtentwicklungsprozesse werden als kulturelle Prozesse gestaltet und erlebbar gemacht. Die Stadt selbst wird dabei zur Bühne: für die Transformation von Stadtgesellschaften, Lebensstilen, Wohn- und Arbeitsformen – und für die Weiterentwicklung ihrer Orte, ihrer Organisations-, Kooperations- und Governance-Strukturen.
So die Vision einer Reihe von Stadtmacherinnen und Stadtmachern sowie Protagonist:innen des wachsenden Netzwerkes der Nationalen Stadtentwicklungspolitik „Gemeinsam für das Quartier“. Sie plädieren dafür, experimentelle Formate performativer Stadtentwicklung aufzugreifen, als Bausteine aktivierender Stadtentwicklung weiterzuentwickeln und in den Kontext einer kulturellen Stadtentwicklung zu stellen. Hier und da – so auch in Mannheim – zeichnen sich Konturen solcher kulturell orientierten Stadtentwicklungsprozesse bereits ab; erste Netzwerke formieren sich.
Die Akteure sind kreative Stadtmacher:innen aus den bildenden und performativen Künsten, aus Kultur, Kreativwirtschaft und Zivilgesellschaft. Sie haben in der Zusammenschau ein beachtliches Repertoire an aktivierenden und performativen Formaten entwickelt und erprobt.
Zum state of the art
Die bisher entwickelten und erprobten performativen Formate sind vielfältig. Sie haben seit den 1980er Jahren immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Z.T. wurden sie bereits in den Kontext einer aktivierenden Stadtentwicklung gestellt oder aus diesem Kontext heraus entwickelt. Das Spektrum reicht vom abendlichen Hofkonzert im gemeinschaftlich gestalteten Hinterhof über vielfältige temporäre Interventionen im öffentlichen Raum und eine breite Palette von zeitlich befristeten Leerstandsbespielungen bis hin zu mehrtägigen Living Labs zur Erprobung neuer Nutzungsformen und Nutzungsmischungen im Rahmen von Projektentwicklungs- und Transformationsprozessen.
Programme kultureller Einrichtungen und künstlerischer Communities gehen mit ihrem kulturellen und gesellschaftlichen Auftrag und Ansatz häufig ganz eigene Wege. Besonders öffentlichkeitswirksam sind kulturelle Programme häufig dann, wenn sie in themenzentrierten Veranstaltungsreihen – z.B. über eine ganze Spielzeit hinweg - gebündelt werden. Besonders interessant für die Anliegen der Vernetzungsinitiative sind dabei solche Programme, die darauf angelegt sind, vor Ort mit künstlerischen Mitteln und in performativen Formaten Reflexionsprozesse zu relevanten gesamtgesellschaftlichen oder gesamtstädtischen Fragen, Phänomenen und Entwicklungen anzustoßen. Perspektivisch besonders vielversprechend wird es aus Sicht der Vernetzungsinitiative dann, wenn solche Programme in vor Ort anstehende oder laufende gesamtstädtische Entwicklungsvorhaben oder Projektentwicklungen eingebunden sind, wenn sie solche Vorhaben zum Anlass nehmen oder wenn sie ganz bewusst in deren Kontext gestellt werden.
Darüberhinaus zielen performative Formate z.B. von Theatern oder künstlerischen Communities auch darauf ab, nicht nur Meinungsbildung und Diskurs zu befördern; z.T. wollen sie noch ein Stück weiter gehen und Raum und Anlass für Community-Building sowie eigendynamische zivilgesellschaftliche Initiativen bieten (z.B. spektakuläre Projekte von raumlabor berlin wie „Küchenmonument“ oder „Eichbaumoper“, das Programm STADT-THEATER von Ulrike Hatzer und dem Braunschweiger Staatstheater in 2012/2015 oder das Programm X-SHARED SPACES der Münchner Kammerspiele 2016/2018).
Performative Stadtentwicklung - ein Handlungsschwerpunkt der Vernetzungsinitiative „Gemeinsam für das Quartier“
Symbolträchtige Schlüsselimmobilien sowie öffentliche und informelle Stadträume sind bevorzugte Experimentierfelder und Schauplätze solcher Ansätze. Innenstadtstrategien und ein aktivierendes, integrierendes Transformationsmanagement greifen solche Ansätze mit den ihnen eigenen Dynamiken auf und integrieren sie in aktivierende, kooperative, eigendynamische Prozesse der Stadtentwicklung. Im Ergebnis entstehen dabei aus Sicht der Vernetzungsinitiative im Idealfalle neue kulturelle, künstlerische oder auch kreativwirtschaftlich orientierte Formate mit deutlichem Bezug zu aktuellen stadt- und gesellschaftspolitischen Entwicklungsfragen.
Die Vernetzungsinitiative greift diese Entwicklungen auf, knüpft daran an und will dazu beitragen, synergetische Formate zu entwickeln, zu befördern und sie zu konstituierenden Elementen einer aktivierenden Stadtentwicklung werden zu lassen. Im Zusammenspiel mit den Partner:innen des Netzwerkes sollen auf der Basis einer Typologie bisheriger Handlungsansätze gemeinsam mit interessierten Netzwerkpartner:innen weiterführende Formate für die in der Vernetzungsinitiative priorisierten Handlungsfelder
- „Innenstadtstrategien“,
- „Quartiersentwicklung“ sowie
- „Strategien in kleinen Städten und ländlichen Regionen“
entwickelt und erprobt werden.
Ziele bei Erschliessung performativer Handlungsansätze
Mit der Erschliessung der Potenziale performativer Handlungsansätze sind insbesondere zwei Ziele verbunden:
1. Zentrales Anliegen ist die Integration performativer Formate als strukturwirksame Elemente in Prozesse aktivierender, kooperativer, gemeinwesenorientierter Stadtentwicklung - sowohl auf der Ebene des gesellschaftspolitischen und stadtentwicklungspolitischen Diskurses vor Ort als auch auf der Ebene der Meinungsbildung, „Horizonterweiterung“, Partizipation, Teilhabe und Aktivierung zivilgesellschaftlichen Engagements im Kontext konkreter Vorhaben und Massnahmen - seien sie nun top-down veranlasst oder bottom-up entwickelt. Den stadtentwicklungspolitischen sowie gesellschaftspolitischen Rahmen liefern dabei die Grundgedanken einer kulturellen Stadtentwicklung.
2. Weiterhin geht es auch um die Erschliessung der häufig zu beobachtenden besonderen gesellschaftspolitischen Effekte und Wirkungen perfomativer Formate im Sinne des sozialen Miteinanders sowie der unkomplizierten, offenen Begegnung und des Community-Building. Bemerkenswert ist die aktivierende, visionäre Kraft und Begeisterung, die performative Formate anstoßen und auslösen können. So wurde in vielen vorlaufenden STADT-ALS-CAMPUS-Projekten ein über alle gesellschaftlichen Gruppen hinweg sich einstellendes Klima des Aufbruches und der Handlungsorientierung häufig zum massgeblichen Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche, eigendynamische Projektentwicklung.
Fokus der Werkstatt „Stadtentwicklung: Performativ“
Die zweitägige Werkstatt „Stadtentwicklung performativ!“ am 25./26. Oktober 2021 ist nach vorlaufenden Studien und nach der Auseinandersetzung mit experimentellen Formaten ein weiterer wichtiger Schritt auf diesem Weg. Die Werkstatt ist zugleich Perspektiven- und Praxiswerkstatt – sie lotet zum einen das Themenfeld und die aufzugreifenden Fragestellungen aus und sie verdichtet zum anderen konkrete Handlungsansätze aus Sicht der hier vertretenen Akteure. NEXT MANNHEIM und Mannheimer Kreativ- und Kulturschaffende sind bundesweit Vorreiter bei der Erprobung performativer Formate und deshalb ideale Veranstaltungspartner.
Den ersten Tag kuratiert Ulrike Hatzer, Dozentin am Mozarteum Salzburg, als Perspektivenwerkstatt. Im Mittelpunkt stehen Perspektiven und Handlungsansätze aus dem Blickwinkel der performativen Künste. Den zweiten Tag gestalten Anna Blaich und Dr. Matthias Rauch, NEXT Mannheim, als Praxiswerkstatt vor Ort. Ziel ist die Entwicklung konkreter Positionen, Praktiken und performativer Formate für die Aktivierung der Multihalle und ihre Ausstrahlung in Stadt und Quartier.
Ausblick
Im Ergebnis der Mannheimer Perspektiven- und Praxiswerkstatt, nach vorlaufenden und ergänzenden Gesprächen sowie vertiefenden Recherchen werden im Zusammenwirken mit interessierten Partner:innen der Vernetzungsinitiative perspektivische Handlungsansätze für eine aktivierende Stadt- und Immobilienentwicklung diskutiert. Eine erste Zwischenbilanz soll zum Jahresende 2021 im Rahmen einer Netzwerkkonferenz der Vernetzungsinitiative erfolgen. Für das Jahr 2022 sollen im Zuge der avisierten Fortsetzung der Vernetzungsinitiative weiterführende Initiativen, Programme und Projekte auf den Weg gebracht werden. Mittelfristiges Ziel ist es, performative Stadtentwicklung als konstituierendes Element und als Leitmotiv einer aktivierenden, kooperativen und gemeinwesenorientierten Stadtentwicklung zu kultivieren und handlungsorientierte Netzwerke zu initiieren und zu stärken.